Im Verlauf unseres Gesprächs haben Sie und ich gemerkt, wie viel man über Intranets im engeren und weiteren Sinne erzählen kann. Ich hatte mit einem angeregten Vorabend gerechnet, und nun ist es fast Nacht. Und es ist vermutlich ein guter Zeitpunkt, zum Abschluss mal einen spekulativen Ausblick darauf zu wagen, was künftig auf Intranets zukommt, was bleibt und was geht.

Ich bin mir sicher, dass die News bleiben werden. Die Top-down-News-Kommunikation im Unternehmen funktioniert und es gibt auch keine ernsthafte Konkurrenz dazu. 

Sie können natürlich der Argumentation von Rolf Dobelli folgen, der die Verbreitung von Generalnachrichten für alle Mitarbeiter als überflüssig und irrelevant ansieht (siehe “Literaturempfehlungen”). Wobei auch er den Konsum von Nachrichten eher als Taktik versteht: Andere werden mir schon Bescheid sagen, wenn es etwas Wichtiges gibt, das alle wissen sollten. Doch damit wird ja das Intranet nicht obsolet: Irgendjemand muss schließlich die News lesen, von denen er den anderen dann berichtet. Zudem können Sie kein Interesse daran haben, dass die Gerüchteküche hochkocht. Jeder muss wissen, was in Ihrer Organisation Sache ist. Wie auch immer die Software aussehen mag, die für diesen Anwendungsfall künftig zum Einsatz kommt: News werden bleiben.

Ein anderes Konzept wird indes definitiv von der Bildfläche verschwinden: der SAP-Ansatz, alle erdenklichen Funktionen in einem System zu vereinen. Ich sehe leichte Skepsis in Ihrem Gesicht. Ja, das klingt etwas komisch – bieten wir doch mit Linchpin eine Intranet-Lösung an, die im Hinblick auf den Funktionsumfang und die Anwendungsfälle besonders umfassend ist. Aber Linchpin ist und bleibt eine Intranet-Plattform, der Grenzen gesetzt sind. 

Wenn Sie beispielsweise darauf aus sind, der Schatten-IT mit WhatsApp durch einen offiziellen Messenger für die Echtzeitkommunikation den Kampf anzusagen, können Sie nicht ernsthaft glauben, dass die Lösung dieses Problems “nebenbei” in einer Intranet-Software mitgeliefert wird. Das ist unrealistisch und wird in der Praxis schlicht nicht funktionieren. 

Dass ein Intranet einfach nicht alle erdenklichen Anwendungsfälle in einer Software abbilden kann, lässt sich noch an vielen weiteren Anwendungsfällen darstellen: E-Mails, Kalender, Telefon, Videokonferenzen, Meetings, Aufgaben, Raumbuchungen, Personalverwaltung, Urlaubsbeantragung, Beschwerdemanagement und so weiter und so fort. Ob Sie wollen oder nicht: Sie brauchen zusätzliche Software.

Und das ist eine Überleitung zu einem wichtigen Thema, an dem Intranet-Anbieter und Intranet-Teams künftig nicht mehr vorbeikommen werden. Es geht um die Schaffung von Verbindungen zwischen Systemen und der Integration anderer Lösungen. 

Ein Intranet kann nicht alle Anwendungsfälle eines Unternehmens abbilden, aber diese Spezialfälle müssen gut ins Intranet integriert werden. 

Da ist es mit einem personalisierten Link nicht getan. Ihre Nutzer werden mehr und mehr erwarten, dass es sich so anfühlt, als würden sie zum Beispiel direkt im Intranet chatten, obwohl eigentlich eine Drittsoftware genutzt wird.

Ein Intranet der Zukunft muss stark darin sein, Inhalte, die nativ in anderen Systemen liegen, anzuzeigen und editierbar zu machen. Dann haben die Mitarbeiter das Gefühl eines übergreifenden, nahtlosen Anwendungserlebnisses. In diesem Zusammenhang muss ein Intranet außerdem unkomplizierte, intuitive Absprungpunkte bieten, die es ermöglichen, im Kontext des aktuellen Anwendungsfalls auf die Speziallösung zuzugreifen. Jede Software hat ihre eigene Oberfläche – und das aus gutem Grund. Dem Intranet obliegt hier eher eine Integrationsaufgabe.

Intranets schaffen Identifikation. Sie schaffen eine digitale Heimat für neue und bestehende Mitarbeiter. 

Das Thema Heimat wird auch bleiben. Vielleicht ist das sogar eine der Kernfunktionen eines Intranets: Gib unseren Mitarbeitern einen Ort, an dem sie das Unternehmen kennenlernen und auf dem Laufenden bleiben können.

Anhand dieser Anforderung lässt sich auch die Entwicklung vom Zustand, den wir als Intranet 1.0 bezeichnen, bis heute (und darüber hinaus) erklären. Wenn Sie nämlich (zentral gesteuert) einfach nur genug Arbeit in eine digitale Heimat stecken, kann sie sich durchaus wie ein Fünf-Sterne-Hotel anfühlen. Es gibt immer aktuelle Nachrichten, jede Ecke sieht aus wie geleckt und es ist alles ordentlich aufbereitet. Das Gefühl der Heimat können Sie aktiv fördern. Allerdings wird das allein in Zukunft nicht mehr ausreichen.

Das Gefühl von Heimat in einem digitalen System wie einem modernen Intranet ist nämlich flüchtig. Wenn wir uns ein großes Unternehmen ansehen, ist es an einem durchschnittlichen Arbeitstag schon nach kurzer Zeit verflogen. Die Intranet-Startseite, die sich seit Ihrem letzten Besuch vor einer Stunde nicht relevant verändert hat, fühlt sich an wie die Zeitung von gestern. 

Deshalb ist es so wichtig, dass Sie im Intranet einerseits mit Personalisierung Relevanz schaffen und andererseits Bottom-up-Kommunikation zulassen. 

Auch die Aktivitäten der ganz normalen Mitarbeiter in ihren Projekten und Teams müssen auf der Startseite sichtbar gemacht werden. Und damit meine ich nicht nur Nachrichten, sondern jegliche Aktivitäten, die möglicherweise sogar in ganz anderen Software-Systemen stattfinden. Denn die Aktualität schafft Verbindung und Aktivität.

Stellen wir uns mal vor, ich erzähle Ihnen das hier nicht gerade von Angesicht zu Angesicht, sondern schreibe es für einen externen Blogartikel auf, den ich im Intranet vorbereite. Falls Sie mir, während ich diese Zeilen schreibe, einen Tipp geben, wie ich meinen Inhalt noch klarer und verständlicher machen kann, küsse ich Ihnen dafür die Füße. Unbezahlbar! Wenn Sie im Intranet sehen, dass ich an diesem Text arbeite, weil zum Beispiel in einem dynamischen Aktivitätsstrom eine Änderung an meiner Seite angezeigt wird, könnte das sogar passieren.

Wenn Sie zehn Minuten, nachdem ich die Arbeit für heute abgeschlossen habe, mit den Tipps ankommen, freue ich mich auch noch. Dann fange ich entweder noch mal an, weil ich den Kontext noch im Kopf habe, oder baue es direkt morgen ein. Aber wenn Sie dieselbe Änderung in drei Monaten vorschlagen, ist mir das möglicherweise gar nicht mehr so willkommen. Denn dann hat das keine Priorität mehr. Ich habe keinen Kontext und der Tipp verkommt schnell zu einer lästigen Aufgabe. Vielleicht denke ich sogar darüber nach, es zu ignorieren.

Das mag jetzt grob klingen. Aber Sie kennen doch die Realität. Wer sich konzentrieren kann, leistet mehr. Und zum Konzentrieren gehört, Nein zu sagen. Wenn Sie sich diese Situation durch den Kopf gehen lassen, wird Ihnen schnell klar, warum aktuelle und relevante Informationen für ein Intranet so wichtig sind. 

Wenn Sie den Jetztmoment einfangen können, schaffen Sie mehr Heimat. Sie schaffen als Intranet-Projektteam mehr Verbindungen und mehr hilfreiche Interaktionen.

Intranets der Zukunft bilden also keine neuen Funktionen ab und lösen keine ganz neuen Anwendungsfälle, sondern sie etablieren ein Heimatgefühl. Sie führen zusammen und bilden eine Art digitalen Kitt, der die Mitarbeiter zusammenschweißt. Ich spreche von einem Gefühl, wie es entsteht, wenn Sie mit Ihrer Familie bei einem entspannten Abendessen zusammensitzen und alle gut gelaunt sind. Dies wäre für mich das Ideal, das ein Intranet erreichen kann, auch wenn Sie über meinen Pathos die Augen verdrehen.

Unternehmen müssen sich heute mit Komplexität beschäftigen. Die Welt besteht mehr denn je aus Überraschungen und Veränderungen. Da draußen ist es kalt, unwirtlich und gefährlich. Ob es die Konkurrenz aus China oder das Start-up zwei Straßen weiter ist – alle wollen Ihre Marktanteile, Ihre Mitarbeiter, Ihre Kunden, und sie machen sich im Zweifel nicht viel daraus, wenn Sie dabei auf der Strecke bleiben.

Das Unternehmen muss nach innen einen Schutzschild bilden, unter dem sich die Mitarbeiter sicher und geborgen fühlen. Ab und zu muss man vielleicht auch mal ausruhen. Aber eigentlich will ich mich unter diesem Schutzschild konzentrieren können. Und obgleich die Welt da draußen immer lauter und gefährlicher wird, helfen schnelle und oberflächliche Maßnahmen immer weniger. Wer mal schnell ein Feuer auspustet, löst heute keine fundamentalen Herausforderungen, vor die uns der Markt stellt. 

Echte Arbeit und echte Wertschöpfung finden in Projekten statt. Interdisziplinäre Teams arbeiten gemeinsam an einer Sache und bringen die unterschiedlichen Talente ihrer Mitglieder ein. So kommt Ihr Unternehmen voran. Ein Intranet ist keine Projektmanagement-Software, auch wenn es Ihre Projekte, Ihre Kommunikation und Ihre Dokumentation unterstützt. Aber es ist nicht der Kern, den ein Intranet der Zukunft ausmacht.

Das Intranet gibt dem Unternehmen Identität. Es schafft Zusammengehörigkeit. 

Es manifestiert, wer innen und wer außen ist. Es ist ein Ort, an dem man geschützt ist und den Kopf frei bekommt. Hier läuft alles zusammen. Hier helfen wir einander. Hier teilen wir unsere Erfolge und auch unsere Mißerfolge. Es ist ein Ort, an dem optimalerweise Transparenz und Offenheit und Vertrauen herrschen. Ein Ort, an dem jeder gerne ist und jeder mit seinen Stärken und Schwächen akzeptiert wird. Ein Ort, an dem ich mich sicher fühle, hilft mir dabei, meine beste Arbeit in die Organisation einzubringen.

Es gibt viele Unternehmen, die gar keine Sicherheit und Geborgenheit stiften wollen. Sie glauben, dass es gut ist, wenn unter den Mitarbeitern die Angst regiert. Für solche Organisationen werden die Intranets der Zukunft zunehmend unattraktiv sein. Aber diese Unternehmen müssen sich auch zunehmend damit abfinden, dass ihr Organisationsmodell im Hinblick auf den Umgang mit Komplexität krasse Schwächen hat.

Okay, Sie müssen los. Es war ein schönes Gespräch mit Ihnen! Hm, haben Sie auch den Eindruck, dass ich ein bisschen häufiger zu Wort gekommen bin als Sie? Nun ja, ich kann eben nicht aus meiner Haut.

Ich wünsche Ihnen auf jeden Fall, dass Sie es im Hier und Jetzt schaffen, eine Intranet-Software auszuwählen und erfolgreich einzuführen, die die ganz konkreten Anwendungsfälle Ihrer Organisation unterstützt. Lassen Sie sich von agilen Träumen von Transparenz und Vertrauen nicht zu sehr ablenken. Das ist wichtig, aber ein “Langzeitprojekt”. Gerade in großen Unternehmen gilt nach wie vor erst mal, dass handfeste, gute und zuverlässige Software die beste Basis schafft.

Wenn Sie die finden und nutzen, ist schon viel gewonnen. Und vielleicht entstehen damit ja ein paar Grundlagen, mit denen Sie andere Themen vorantreiben können.

Meine besten Wünsche für diese Reise. Sie ist mühsam. Halten Sie durch! Die Ergebnisse rechtfertigen viele Schmerzen und nutzlose Meetings. Alles wird gut. Schön, dass wir uns mal darüber unterhalten haben!



Das Social Intranet

Zusammenarbeit fördern und Kommunikation stärken. Mit Intranets in Unternehmen mobil und in der Cloud wirksam sein.

Virtuelle Zusammenarbeit in Unternehmen: Social Intranets als digitale Heimat 

Nie zuvor wurde die Unternehmenswelt so sehr von Cloud-Software und Spezialanbietern überrannt wie jetzt. Es gibt so viel Software, dass es immer schwieriger wird, den Überblick zu behalten. Umso wichtiger ist es für die Zukunft von Unternehmen, einen Ort der digitalen Zusammenkunft zu haben. Einen verlässlichen Heimathafen, sinnvoll vernetzt mit den zahlreichen anderen Systemen. Eine Möglichkeit, sich einfach und schnell zu orientieren, die Transparenz im Unternehmen zu erhöhen und die Zusammenarbeit effektiver zu gestalten.
Dieses Buch verrät Ihnen aus langjähriger Erfahrung heraus, wie das heute schon geht und welchen vermeintlichen Trends Sie lieber nicht folgen sollten.

Über den Autor

Martin Seibert war 17, als er das Softwareunternehmen Seibert Media gründete. 24 Jahre später hat es knapp 200 Mitarbeiter und macht 35 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Seine Begeisterung für Technologie teilt er seit vielen Jahren in YouTube-Videos – und jetzt auch in seinem neuen Buch über Social Intranets.


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Dieser Inhalt wurde zuletzt am 17.04.2020 aktualisiert.

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