Für Sie ist ein Einblick in die Aufgabenverwaltung, die ich mir angewöhnt habe, bestimmt spannender als das Schreiben, stimmt’s? Ich habe jahrelang daran herumgefeilt. Es ist nicht perfekt. Aber seit längerer Zeit habe ich an diesem Prozess auch nichts mehr verändert, was mich glauben lässt, dass er schon ziemlich reif ist.

Der Ablauf beginnt mit einer Idee für eine Aufgabe. Diese Ideen fliegen mir überall zu: in Gesprächen, unterwegs oder in der Dusche. Diese Situationen haben oft den gemeinsamen Nenner, dass ich gerade nicht an meinem Arbeitsplatz sitze und höchstens mein Smartphone oder sogar nur Zettel und Stift als Werkzeug habe.

Es muss also schnell gehen. Bei mir hat sich dafür Google Keep etabliert (Google-Notizen). Die Anwendung startet schnell und funktioniert auch bei schlechter oder ganz ohne Internetverbindung. Das ist mir wichtig. Doch es gibt zig geeignete Apps für Android und iOS, die dafür ebenfalls infrage kommen.

Anschließend räume ich meine Ideen und Notizen wieder aus Google Keep raus. Das ist für mich wirklich nur ein schneller Ablageort. Mein Ziel besteht darin, diesen Container möglichst immer leer zu haben.

Meine privaten Aufgaben landen von dort aus in Basecamp. Andere Leute nutzen dafür Trello. Beide Lösungen sind gut, schnell und einfach. Die geschäftlichen Aufgaben wandern erst mal eins zu eins in unser Jira-System und werden dort zu Vorgängen. Hier arbeite ich dann mit Filtern weiter daran. Der erste Filter heißt “Vet these issues”, also “Schau dir diese Vorgänge mal an”. Wenn ich das tue, sorge ich direkt dafür, dass alles, was nicht dringend ist, in den Status “on hold” geschoben wird. Hier definiere ich in der Regel einen automatischen Wiedervorlagetermin. Ähnlich wie bei den Mails schiebe ich die Aufgaben also zunächst einfach weg. Das ist zwar nicht besonders effizient, aber es hilft mir dabei, mich auf die wirklich wichtigen Sachen zu konzentrieren. Und viele Dinge, die ich monate- oder manchmal sogar jahrelang vor mir herschiebe, brauche ich schließlich gar nicht anzugehen.

Es bleibt übrig, was ich nicht verschieben kann. Von dieser Art Aufgaben gibt es immer wieder etwas: “Bereite das Meeting morgen vor” muss ich heute erledigen oder gar nicht. Denn wenn ich das Meeting morgen nicht heute vorbereite, findet es halt ohne Vorbereitung statt. Dann ist die Vorbereitungsaufgabe obsolet geworden. Um diese Aufgaben kümmere ich mich dann direkt. Manchmal bin ich auch mutig und bearbeite etwas bewusst nicht; dann informiere ich die anderen Beteiligten nur über die Entscheidung. Aber das geht natürlich nicht immer. 

Glücklicherweise gibt es in meinem Flow nicht allzu viele Dinge, die so ungeplant reinkommen und nicht sauber priorisiert und eingeplant werden können. Denn im nächsten Schritt kommt die Priorisierung. Das ist eine komplexe Angelegenheit. Es soll Menschen geben, die mit A, B und C auskommen. Oder mit Zahlen von eins bis zehn. Ich gehöre nicht dazu. Und unsere Projektteams auch nicht. Irgendwann sammeln sich immer Unmengen von Vorgängen in den wichtigsten Kategorien an und hängen ganz oben fest. Wenn letztlich alles gleich wichtig ist, verliert das System seinen Nutzen.

Eine bessere Methode, die wir inzwischen in vielen Teams anwenden, ist WSJF nach Donald G. Reinertsen (siehe “Literaturempfehlungen”). Diese Abkürzung steht für Weighted Shortest Job First und folgt einer ziemlich überzeugenden Logik: Wir starten am besten mit denjenigen kleinen Aufgaben, die uns sehr weit voranbringen. So können wir mit wenig Zeitaufwand die besten Fortschritte erzielen.

Die Effekte von WSJF will ich jetzt nicht ausführlich behandeln, weil das nur peripher mit Intranets zu tun hat. Nur so viel: Wir arbeiten (ähnlich wie im agilen Projektmanagement) an kleineren Aufgaben. Wir schließen häufiger Dinge ab. Wir werden systematisch dazu getrieben, große Pakete in kleinere Päckchen aufzuteilen, denn dadurch erhalten sie einen höheren WSJF-Wert.

Im zweiten Schritt vergebe ich also die WSJF-Werte für die folgenden vier Fragen: Entsteht durch die Nichtdurchführung ein Risiko oder entgeht uns eine Chance? Ist die Umsetzung mit einem Termin versehen und zeitkritisch? Wie hoch ist der Geschäftswert, wenn das erledigt ist? Wie hoch ist die Komplexität der Umsetzung? Die entsprechenden Schätzungen sind dimensionslos und erfolgen anhand der angepassten Fibonacci-Zahlen (1, 2, 3, 5, 8, 13, 20, 40, 100).

Der WSJF-Wert berechnet sich dann aus der Summe der ersten drei Zahlen geteilt durch die letzte Zahl. Das Ergebnis sind bei mir Werte zwischen null und 20, die durch die Nachkommastellen immer in eine konkrete Reihenfolge gebracht werden können. Das ist unglaublich entlastend. Natürlich ist die Vergabe weiterhin ziemlich willkürlich und leicht beeinflussbar. Aber im Großen und Ganzen passen die Priorisierungen für mich eigentlich immer. Es gehört zu meinem Wesen, dass ich mehr Ideen als Arbeitszeit habe. Da ist so eine Liste unheimlich hilfreich.

Wenn alle Prioritäten mit WSJF definiert sind, schaue ich auf meinen Filter “aktuelle Aufgaben”. Das sind letztendlich alle offenen Aufgaben, die nicht “on hold” auf ein Wiedervorlagedatum warten. Von hier aus schiebe ich Aufgaben mit Wiedervorlage oft einfach wieder weg, bis die Liste übersichtlich wird.

Zugegeben: Mich trifft immer noch regelmäßig das Problem, dass ich mir viel mehr vornehme, als ich tatsächlich schaffe. Und meine Aufgabenpakete sind auch regelmäßig viel zu groß. Da muss ich mich mit WSJF noch besser konditionieren, um die Einzelschritte schön klein zu halten. Ich bin noch nicht hundertprozentig sicher, worin der beste Weg für die Bearbeitung der Aufgaben von “heute” besteht. (Dafür gibt es eigene Apps – und ich bin sicher, dass dies auch der Grund dafür ist, warum sich Filofax bis heute hält.) Aber dies ist der wichtigste Aspekt:

Es zählt ausschließlich das, was Menschen im Hier und Jetzt erledigen.

Wenn ein Intranet erfolgreich sein soll, muss es die Arbeit beeinflussen und verbessern, an der die Mitarbeiter heute sitzen.

Klar, man kann investieren. Aber irgendwann muss auch geerntet werden. Und das ist für eine Software eine Herausforderung. Nicht selten nervt sie so sehr, dass die Leute alle möglichen Umgehungsstrategien ersinnen und verfolgen. Wir erleben das in Confluence- und Linchpin-Intranets oft: Sobald die Mitarbeiter die Grundfunktionen verstanden haben, missbrauchen sie diese teils genauso wie die E-Mail. Es ist nicht gut, wenn Ihr Intranet als CRM- oder ERP-System herhalten muss oder Teile davon redundant dupliziert.

Zurück zu meiner Intranet-Nutzung heute. Ich gestehe, dass ich regelmäßig an der Herausforderung scheitere, genug Aufgaben per Wiedervorlage auf “später” zu verschieben. Im Ergebnis ist meine Liste für heute stets zu umfangreich und am Ende des Tages bleibt etwas übrig. Das fühlt sich nicht so gut an. Aber wenn ich diszipliniert bin, arbeite ich die Liste von oben in Richtung unten durch. Dann kommen zumindest die wichtigsten Sachen dran.

Wenn ich die kommende Woche, den Rest des Monats, das ganze Quartal oder den Rest des Jahres planen will, habe ich dafür eigene Filter angelegt. Wichtige Filter sind außerdem meine Gammellisten. Darin sortiere ich meine eigenen und die von mir angelegten, aber anderen Nutzern zugeordneten Vorgänge so, dass die gammeligsten ganz oben stehen. (Gammelig ist hier ein salopper Begriff für ein weit zurückliegendes letztes Aktualisierungsdatum.) Das ist zugleich schrecklich und wirksam. Transparenz darüber zu bekommen, was alles nicht erledigt wird, ist sehr schmerzhaft. Das gilt besonders für große Unternehmen, in denen Transparenz für alle Mitarbeiter nie gelebte Realität gewesen ist.

Diese Listen mit alten Vorgängen gehe ich alle zwei bis drei Monate durch. Dabei finde ich oft Sachen, die inzwischen bereits abgeschlossen wurden, und manchmal auch Dinge, die einfach durch Abwarten und Aussitzen obsolet geworden sind. Aber es hilft mir auch dabei, kontinuierlich zu lernen.

Ja, Ihre Frage ist berechtigt: Gut und schön, aber was hat das ganze Aufgabenmanagement mit Ihrem Intranet-Projekt zu tun? Tja, die Antwort müssen Sie selbst finden. Im Rahmen Ihrer Intranet-Einführung sollten Sie darüber nachdenken, ob eine solche systematische und auch über eine große Anzahl von Mitarbeitern hinweg funktionierende Aufgabenverwaltung zu Ihrem Projekt gehört oder nicht. Denn ohne Zweifel ist eine solche Aufgabenverwaltung ein eigenes, großes Projekt mit seiner ganz eigenen Komplexität.

Die gerade angesprochene schmerzhafte Transparenz ist da nur der Anfang. Da gibt es auch noch den Betriebsrat, der Leistungsüberwachung wittert. Da müssen Sie sich auch noch mit agilen Projektmanagement-Methoden wie Scrum und Kanban beschäftigen – oder sogar mit agiler Skalierung über die gesamte Organisation hinweg (beispielsweise mit dem Scaled Agile Framework, SAFe). Die Welt des Projektmanagements birgt riesige Themenfelder, die in einigen Unternehmen, für die wir arbeiten, deutlich umfangreicher und detaillierter behandelt werden als Intranets. 

Hüten Sie sich also davor, in Ihre 200 Kriterien lange Excel-Tabelle mit Ihren Anforderungen an ein Intranet einfach den Punkt 201 “Aufgabenverwaltung für alle Mitarbeiter” aufzunehmen! Ja, da lachen Sie, aber so etwas lesen wir öfter. Und das offenbart ein fundamentales Missverständnis dahingehend, was systematisches Aufgabenmanagement eigentlich bedeutet. (Mit solchen Anforderungschecklisten habe ich übrigens ein grundsätzliches Problem. Das sollten wir nachher noch im Detail diskutieren.)

Meine Aufgaben im Tagesablauf habe ich also sortiert, priorisiert und verschoben und bin gut aufgestellt, um nun die wichtigsten Dinge anzugehen, die in meiner Liste für heute übrig geblieben sind. Das klingt einfach. In der Realität ist es für mich und vermutlich auch für Sie so, dass die schnelle und unkomplizierte Abstimmung extrem wichtig und grundlegend ist.

In unserem Unternehmen bin ich jemand, der mehr Erfahrung als viele andere hat. Das wollen meine Kollegen nutzen. Und ich will ansprechbar sein – als Servant Leader, wie es im agilen Kontext heißt. Doch zugunsten einer besseren Verständlichkeit will ich an dieser Stelle mal auf die Komplexitätsbremse treten und so tun, als seien die Prozesse alle schön getrennt und nicht so furchtbar ineinander verwoben, dass man vor lauter Multitasking manchmal nicht mehr weiß, woran man jetzt eigentlich wirklich zuerst arbeiten sollte. 



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Nie zuvor wurde die Unternehmenswelt so sehr von Cloud-Software und Spezialanbietern überrannt wie jetzt. Es gibt so viel Software, dass es immer schwieriger wird, den Überblick zu behalten. Umso wichtiger ist es für die Zukunft von Unternehmen, einen Ort der digitalen Zusammenkunft zu haben. Einen verlässlichen Heimathafen, sinnvoll vernetzt mit den zahlreichen anderen Systemen. Eine Möglichkeit, sich einfach und schnell zu orientieren, die Transparenz im Unternehmen zu erhöhen und die Zusammenarbeit effektiver zu gestalten.
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Über den Autor

Martin Seibert war 17, als er das Softwareunternehmen Seibert Media gründete. 24 Jahre später hat es knapp 200 Mitarbeiter und macht 35 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Seine Begeisterung für Technologie teilt er seit vielen Jahren in YouTube-Videos – und jetzt auch in seinem neuen Buch über Social Intranets.


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Dieser Inhalt wurde zuletzt am 17.04.2020 aktualisiert.

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