Viele Leute sehen darin die neue Welt, die echte digitale Zusammenarbeit, den digitalen Arbeitsplatz. Für mich ist es nervig und aufwendig. Ich versuche, solche synchronen Zusammenarbeitstreffen möglichst zu vermeiden. Etliche Kollegen arbeiten wiederum gerne gleichzeitig mit anderen an einer Sache. In der Software-Entwicklung nennt sich das Pair-Programming. Und im Businesskontext gibt es meines Wissens keinen besseren Namen als “Pairing”.

Für mich bilden synchrone Kommunikationsmethoden wie Gespräche und Telefonate eine Form der Eskalation.

Ich liebe synchrone Kommunikation, um andere von meiner Meinung zu überzeugen und mit ihnen in einen Diskurs darüber einzutauchen, warum meine Meinung nicht überzeugend ist. Und ich liebe das persönliche Gespräch, wenn ich auf der digitalen Ebene den Eindruck hatte, dass wir nicht zusammenkommen und dass sich unsere Ansichten fundamental unterscheiden. Dann ist ein Gespräch Auge in Auge unglaublich erfrischend, harmonisch und in aller Regel auch Gold wert, um in der Sache weiterzukommen. Ich mag es sehr, wenn wir im Unternehmen gemeinsam versuchen, Dinge digital voranzubringen, bis wir merken, dass eine persönliche Abstimmung erforderlich ist.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin ein großer Freund persönlicher Interaktion. Wir beschäftigen aktuell mehr als 170 Mitarbeiter, und über 160 davon sind an unserem Standort in Wiesbaden tätig. Das ist in unserer Branche schon fast anachronistisch. Viele unserer Marktbegleiter rekrutieren absichtlich über den Gesamtmarkt verteilt, um näher bei den Kunden zu sein, oder versuchen, Talente in aller Welt anzuwerben. Dann sind sie fast ausschließlich auf die digitalen Zusammenarbeitswerkzeuge angewiesen, über die wir gerade reden.

Wir glauben ebenfalls an diese Werkzeuge, aber eher als Ergänzung. Die persönliche Zusammenkunft zur Eskalation und Auflösung von Konflikten oder zum Abgleich von Interessen ist sehr mächtig. Momentan kann ich mir nicht vorstellen, darauf zu verzichten. Selbst unsere inzwischen etwa zehn Remote-Kollegen lassen wir aus den USA, Potsdam, Tübingen usw. regelmäßig anreisen, um einen engen Kontakt zu den Teams herzustellen. 

Wir haben 360-Grad-Kameras, die wir in den Teambereichen aufstellen, und die Remote-Entwickler sitzen zu Hause vor der Kamera, damit “man sich einen Raum teilt”. Das sieht teilweise wirklich komisch aus, funktioniert für sie aber offenbar gut. Solche Dinge entwickeln sich bei uns in Selbstorganisation und nicht durch Steuerung von oben. Auf die Zusammenarbeit über weite Distanzen hinweg sollten wir nachher noch mal zurückkommen. Sie haben doch Zeit mitgebracht, nicht?

Doch jetzt erst mal wieder zurück zur Zusammenarbeit an Wiki-Dokumenten. Ich hatte den besonderen Effekt beschrieben, dass die kontextuellen Benachrichtigungen an die Seitenbeobachter die Aktivität und Aufmerksamkeit von selbst verstärken und damit die inhaltliche Weiterentwicklung vorantreiben. Im Gegensatz zu Google Docs und Word 365 läuft die Arbeit mit einem Wiki asynchron, also zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten. Die Reaktion der Beobachter erfolgt immer nur dann, wenn sie eben Zeit haben.

Wikipedia ist bekanntermaßen das größte Wiki der Welt, gleichzeitig eine der erfolgreichsten Websites und inzwischen unangefochten der führende Wissensspeicher für lexikalische Dokumentation. Zur Aktivität der Teilnehmer aus den frühen Tagen der Wikipedia gibt es interessante Untersuchungsergebnisse. Etwa 90 Prozent der Websitebesucher schauen nur und konsumieren. Etwa neun Prozent führen hier und da mal eine Änderung an einem Artikel durch, korrigieren auch mal einen kleinen Fehler und leisten punktuell einen Beitrag. Rund ein Prozent der Nutzer sind richtig starke Autoren, die sich teilweise lange und umfangreich mit Wikipedia beschäftigen. Sie schreiben, sie engagieren sich in der Gemeinschaft und machen das Projekt gemeinsam erfolgreich. In Unternehmen erlebe ich die Verteilung etwas gleichmäßiger. Aber die dahinter steckende Idee ist sehr ähnlich.

Es ist also nur eine kleine Zahl an wirklich engagierten Leuten, die ein Wiki erfolgreich machen (zumindest am Anfang). Wenn diese wichtigen Multiplikatoren zu Beginn der Etablierung einer Zusammenarbeitskultur im Unternehmen weiterhin auf Word oder Google Docs und auf Datensilos statt auf richtige Zusammenarbeit setzen, werden Sie es zu Beginn des Intranet-Projekts sehr schwer haben. 

Die Anwendungsfälle Referenz, Dokumentation und allgemeine Wissensbewahrung im Unternehmen sind nirgendwo so gut aufgehoben wie in einem Unternehmens-Wiki. 

Ein solches Wiki zu etablieren, ist langfristig lohnend und wertvoll. Es ist aber schwierig, die flächendeckende Akzeptanz für ein solches “internes Wikipedia” zu schaffen – zumindest im Vergleich zur Etablierung eines Chatdienstes, die recht einfach und oft rasend schnell gelingen kann. Über die Nutzungsakzeptanz und über Strategien zu deren Steigerung könnten wir nachher noch sprechen, oder?



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Zusammenarbeit fördern und Kommunikation stärken. Mit Intranets in Unternehmen mobil und in der Cloud wirksam sein.

Virtuelle Zusammenarbeit in Unternehmen: Social Intranets als digitale Heimat 

Nie zuvor wurde die Unternehmenswelt so sehr von Cloud-Software und Spezialanbietern überrannt wie jetzt. Es gibt so viel Software, dass es immer schwieriger wird, den Überblick zu behalten. Umso wichtiger ist es für die Zukunft von Unternehmen, einen Ort der digitalen Zusammenkunft zu haben. Einen verlässlichen Heimathafen, sinnvoll vernetzt mit den zahlreichen anderen Systemen. Eine Möglichkeit, sich einfach und schnell zu orientieren, die Transparenz im Unternehmen zu erhöhen und die Zusammenarbeit effektiver zu gestalten.
Dieses Buch verrät Ihnen aus langjähriger Erfahrung heraus, wie das heute schon geht und welchen vermeintlichen Trends Sie lieber nicht folgen sollten.

Über den Autor

Martin Seibert war 17, als er das Softwareunternehmen Seibert Media gründete. 24 Jahre später hat es knapp 200 Mitarbeiter und macht 35 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Seine Begeisterung für Technologie teilt er seit vielen Jahren in YouTube-Videos – und jetzt auch in seinem neuen Buch über Social Intranets.


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Dieser Inhalt wurde zuletzt am 17.04.2020 aktualisiert.

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