Um Innovationen in Unternehmen zu fördern, braucht es einen Raum zum testen: Wie Sie das Intranet als Keimzelle für neue Ideen nutzen können.

Wie entstehen Innovationen im Unternehmen? Antworten auf diese Frage füllen ganze Regalmeter an Büchern. Ich selbst habe mich theoretisch leider nicht intensiv damit auseinandergesetzt und weiß nicht allzu viel darüber. Was mich allerdings die Erfahrung lehrt, ist, dass Innovation in Organisationen meistens Standardisierung und Digitalisierung bedeutet: Geschäftsprozesse sollen qualitativ besser, effizienter und effektiver werden – und durch die digitale Magie am besten alles gleichzeitig.

Wie gut ist eine neue Idee? Microblog und Gruppenchat als Schnelltestverfahren

Mit Ihrem Intranet-Team können Sie dazu beitragen, kleinen Ideen und Verbesserungsvorschlägen einen Raum für Diskussion und Wachstum zu eröffnen. Innovationen sind zu Beginn zarte Pflänzchen, die behütet und betreut werden wollen, bis sie zu einer Stärke heranreifen, gegen die auch die etabliertesten der alten, schlechten und überkommenen Routinen nichts mehr ausrichten können. 

Wenn Sie nur früh genug aufstehen, können Sie auch die allerbeste Idee im Unternehmen abtöten, bevor sie sich entwickeln kann. Insofern ist ein Raum, den alle Mitarbeiter sehen können, schon mal ein großer Gewinn für solche Ideen, weil er vor allzu rabiaten und groben Angriffen schützt, die einem politisch motivierten Bremser im Lichte der Öffentlichkeit dann möglicherweise doch unangenehm sind.

Um den Anwendungsfall klar zu umreißen: Die Aufgabe Ihres Intranet-Teams besteht nicht darin, das Unternehmen innovativ zu machen oder dafür zu sorgen, dass es innovative Ergebnisse hervorbringt. Das mag eine Folge sein. Aber eine solche Kausalität kann niemand ernsthaft versprechen.

Was ein Intranet-Team mit einem Mitarbeiterportal schaffen kann, ist ein Raum, in dem Ideen entstehen sowie dokumentiert und diskutiert werden können.

Sofern Sie Innovationen als kleine, inkrementelle Verbesserungen der bestehenden Geschäftsprozesse wahrnehmen, die erst durch die Summe der kleinteiligen Einzelschritte zu einer großen, beeindruckenden Veränderung führen, dann ist ein modernes Intranet sogar eine zentrale Stelle, an der Innovation stattfinden kann.

Lassen Sie uns mal ein Beispiel durchspielen, das ganz nah an der Realität ist. Wir haben neulich unseren Geschäftspartner Google in seiner Zentrale in Dublin besucht. Dort gibt es Getränkekühlschränke, die teilweise mit Milchglas versehen sind. Die oberen beiden Regale sind durchsichtig, die unteren durch Milchglasfolie verdeckt. Ich wunderte mich und fragte nach, was es damit auf sich habe. Der Ansprechpartner sagte sinngemäß: Menschen lassen sich nun mal durch die Positionierung von Produkten in ihrem Konsum beeinflussen. Ich bin durstig. Ich gehe zum Getränkekühlschrank. Ich sehe Wasser. Ich trinke Wasser. Hätte ich Cola gesehen, hätte ich vielleicht Cola genommen.

Softdrinks hinter Milchglas nicht sichtbar.



Dann ging es weiter in den Meeting-Raum. Auf der Tür klebte ein Schild:

Lobe, sei nett, sprich problematisches Verhalten an, integriere Remote-Teilnehmer, hör zu, achte auf Zeitzonen

Das Schild wirkte auch zunächst irgendwie überflüssig. Mir kam das alles ziemlich selbstverständlich vor. Aber ich verstand auch, dass es für Menschen gedacht ist, die nicht so extrovertiert sind wie ich. Und dann gefiel es mir doch.

Was mir bei unserem Besuch in der Google-Zentrale noch auffiel: Das WLAN ist für Besucher frei nutzbar. Es gibt kein Passwort, keine Registrierung. Jeder kann einfach lossurfen. Über diesen Ansatz könnten wir lange diskutieren. Es gibt gute Argumente dafür und dagegen. Aber spätestens hier dachte ich: Mann, die sind wirklich innovativ hier. Diese drei Dinge haben wir zum Beispiel nicht. Warum können wir nicht so innovativ sein? 

Tatsächlich sind das nur Kleinigkeiten. Es macht Google nicht zu einem besseren Unternehmen und es verändert auch nicht die Welt. Aber diese kleinen Dinge ergeben in der Summe ein Bild. Und am Ende braucht es ja immer auch Menschen, die hinter diesen Änderungen stehen, sie umsetzen und sich dafür einsetzen, falls Kritik kommt.

Wenn die Entscheidungsstruktur in Ihrem Unternehmen streng hierarchisch ist, ist es wahrscheinlich nicht sinnvoll, dass sich hochrangige Führungskräfte mit WLAN-Passwörtern, Meeting-Benimmregeln und Milchglasfolien beschäftigen. Aber ein Intranet kann dabei helfen, solche kleinen Ideen zu testen, zu evaluieren und umzusetzen, ohne dass das Management involviert sein muss – und das mit einer Transparenz, die es zu jedem Zeitpunkt erlaubt, zu eskalieren und sich zu informieren, wenn jemand bei der Umsetzung einer Idee Bedenken hat.

Wie man mit Ideen umgehen kann, wenn es ein gut funktionierendes Intranet gibt, zeigt mein Beispiel der Inspiration durch Google. Ich habe also eine Kühlschrankfolie gesehen und kann mir gut vorstellen, dass unsere Kühlschränke ebenfalls ein “Wasser-Priming” unterstützen. In unserem Google-Chatraum für die Gesellschafter teste ich die Idee erst mal an. Während ich am Bahnhof auf einen Zug warte, schreibe ich ganz unverbindlich und beiläufig in der mobilen App: “Erinnert Ihr euch noch an die Kühlschränke bei Google in Dublin? Ich würde unsere auch gerne mit so einer Milchglasfolie versehen und das Wasser nach oben räumen lassen. Was haltet ihr davon? Soll ich das in unserem Office-Team mal vorschlagen?” 

Die Antworten lassen nicht lange auf sich warten: “Klar, mach mal” und “Wichtig ist mir das nicht, aber es ist vermutlich auch schnell gemacht. Frag das Team ruhig mal”. Ich weiß nicht, ob die Kollegen ihre Antworten auch auf dem Handy von unterwegs aus oder am Rechner geschrieben haben, aber schon nach wenigen Sekunden habe ich die Bestätigung, dass meine Idee wohl kein kompletter Rohrkrepierer ist, für den ich mich später schämen muss, weil alle denken: Damit beschäftigt sich also der Seibert.

Mit meinem schon etwas gewachsenen Pflänzchen stelle ich die Idee in unseren Intranet-Microblog im Bereich “Büroorganisation” ein:

“Schaut mal hier. So sieht ein Kühlschrank bei Google aus. Die Getränkekühlschränke sind teilweise mit Milchglas versehen. Und oben (im Sichtfeld) sieht man nur Wasser. Die Idee ist, dass mehr Wasser und weniger Mist (Cola, Red Bull, Soda-Zucker-Kram, Bier) konsumiert wird. Ich habe schon mit dem Team WeCare4You gesprochen und da kam die Idee auf, dass man die Folie ja auch noch gestalten könnte. Hier ist die Aufgabe in Jira: https://jira.apps.seibert-media.net/browse/PONY-1565

Was denkt Ihr dazu?”

Das sieht dann in der mobilen App so aus:



Zu Innovation gehört natürlich auch, dass eine Selektion stattfindet. Es muss ein Ringen um gute und nicht ausreichend gute Lösungen geben. 

Kaum hatte ich meinen eher beispielhaft gedachten Kühlschrank-Post veröffentlicht, ging intern die Diskussion los. Der Verlauf ist aus meiner Sicht unterhaltsam und lehrreich. Ich habe einen (sehr langen) Screenshot gemacht; die Namen sind anonymisiert, aber ansonsten ist das der Originalverlauf. Ich schicke Ihnen auch diesen Link rasch in Telegram: https://seibert.biz/kuehlschrankdiskussion.

Ich führe die Geschichte mit der Milchglasfolie an, weil sie so einfach und unkompliziert ist und weil mir die Änderung eigentlich wie selbstverständlich vorkam. Und Getränkekühlschränke gibt es ja in ganz vielen Unternehmen. Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass darüber eine so lebhafte und unterhaltsame Diskussion entstehen würde.

Der zentrale Punkt, der die Idee letztendlich für die Umsetzung bei uns “gekillt” hat, ist, dass wir unser Wasser aus Wasserspendern beziehen. Die wurden mal auf Initiative von Mitarbeitern angeschafft – übrigens auch nach Microblog-Diskussionen darüber, warum man Wasserspender zum Preis eines gebrauchten Kleinwagens benötigt. Seitdem gibt es in den Getränkekühlschränken keine Wasserflaschen mehr. Außerdem wurde mehrfach angeführt, dass es ziemlich übergriffig und kindisch sei, wie Google seine Mitarbeiter behandele, wenn die dächten, dass Konsum so beeinflusst wird. Es lohnt sich, die Diskussion zu lesen!

Warum ich so lange auf diesem Beispiel herumkaue? Nun, ich finde es so passend, weil ich in einem Gespräch mit meinem Bruder verstanden habe, dass es sich eigentlich um eine perfekte Demonstration des Lebens nach agilen Werten handelt. 

“Fail fast” ist ein Spruch, der im agilen Umfeld oft bemüht wird, um das iterative Lernen zu beschreiben. Wer seine Fehler und die Irrwege früh erkennt, kann auch früh und damit kostengünstig umsteuern.

Besonders relevant ist diese Erkenntnis Im Zusammenhang mit Innovation. Wie Sie wissen, sind die meisten Ideen einfach nicht gut. Je nachdem, wo Sie nachlesen, erfahren Sie, dass höchstens eine von zehn Ideen genug Potenzial hat. Ein innovatives Unternehmen hat daher immer ein Interesse daran, dass schlechte Ideen schnell sterben, denn dann muss sich keiner mehr damit beschäftigen. Niemand muss die Folien gestalten. Niemand muss die Anbringung übernehmen. Niemand muss dafür sorgen, dass die Kühlschränke anders eingeräumt werden, und dabei überlegen, wie er jemandem erklärt, dass nicht vorhandene Wasserflaschen ganz oben stehen sollen. Und über eine mögliche Übergriffigkeit und Infantilisierung erwachsener Menschen müssen Sie auch nicht mehr diskutieren.

Irgendwie bin ich ganz zufrieden darüber, wie das mit meiner Kühlschrankidee bei uns gelaufen ist. Da sie nun tot ist, mache ich rasch den im Microblog-Beitrag genannten Jira-Vorgang platt, den ich angelegt hatte, und fahre mit einem anderen Beispiel fort.

Vorher möchte ich aber noch einmal die Bedeutung des Microblogs als Kanal im Intranet betonen. Ich hatte ja damit begonnen, meine Idee mit der Kühlschrankfolie in einem Chat kundzutun. Dort habe ich zwar Zustimmung erhalten, aber später im Microblog ist die Idee dennoch abserviert worden. Interessanterweise war eine der an der Microblog-Diskussion beteiligten Personen gleichzeitig auch Mitglied in der Chatgruppe und hatte dort keinen Kommentar abgegeben. Warum nicht? Um das zu verstehen, sollten wir die Formate Gruppenchat und Microblog mal im Vergleich betrachten.



Das Social Intranet

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Nie zuvor wurde die Unternehmenswelt so sehr von Cloud-Software und Spezialanbietern überrannt wie jetzt. Es gibt so viel Software, dass es immer schwieriger wird, den Überblick zu behalten. Umso wichtiger ist es für die Zukunft von Unternehmen, einen Ort der digitalen Zusammenkunft zu haben. Einen verlässlichen Heimathafen, sinnvoll vernetzt mit den zahlreichen anderen Systemen. Eine Möglichkeit, sich einfach und schnell zu orientieren, die Transparenz im Unternehmen zu erhöhen und die Zusammenarbeit effektiver zu gestalten.
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Über den Autor

Martin Seibert war 17, als er das Softwareunternehmen Seibert Media gründete. 24 Jahre später hat es knapp 200 Mitarbeiter und macht 35 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Seine Begeisterung für Technologie teilt er seit vielen Jahren in YouTube-Videos – und jetzt auch in seinem neuen Buch über Social Intranets.


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Dieser Inhalt wurde zuletzt am 17.04.2020 aktualisiert.

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