Ich halte es für einen Fehler, aber dennoch kommt es immer wieder vor, dass Betreiber unserer Intranets die Nutzerberechtigungen zu stark einschränken. Und ehe man sich versieht, braucht man einen Passierschein A 38, um im Intranet eine Seite veröffentlichen zu dürfen, die alle sehen können. Freigabeprozesse – das klingt nach einem Sicherheitsnetz, das man zusätzlich einbinden kann. Aber sie wirken auch abschreckend und behindern die Nutzung des Systems.

Hier spielt nicht zuletzt die emotionale Ebene eine Rolle – das Stichwort lautet “Instant Gratification”. Das ist ein Effekt, der eintritt, wenn Sie eine Arbeit abgeschlossen haben und direkt die Früchte ernten können. Ein einfacher Fall wäre das Lächeln einer Kollegin, wenn Sie eine Arbeit für sie erledigt haben und sie Ihnen mitteilt, dass ihr das Ergebnis gefällt. Im Intranet kann der Effekt der Instant Gratification schon entstehen, wenn Sie auf den Veröffentlichen-Knopf drücken und Ihre Nachricht mit Vorschaubild und Teasertext auf der Startseite sehen. Spätestens wenn die ersten Kommentare und Gefällt-mir-Markierungen gesetzt werden, stellt sich das bei allen Autoren ein. Ein Freigabeprozess verzögert diesen Vorgang – teilweise über Tage oder sogar Wochen, je nachdem, wer für die Freigabe zuständig ist und wie viel Zeit und Energie diese Personen für diese Aufgabe haben. In der Regel ziehen diese Leute aus der reinen Freigabe keine Freude. Vielmehr handelt es sich um eine bürokratische Hürde, die oft als lästige Arbeit empfunden und gerne mal aufgeschoben wird.

Für die Autoren im Intranet können ungewisse und lange Freigabezeiten schnell zu einer Hürde werden. Zunächst mal wird dem Prozess die Freude der schnellen Veröffentlichung genommen. Aber manchmal brauchen Mitarbeiter darüber hinaus die Sicherheit, mit den veröffentlichten Inhalten direkt weiterarbeiten zu können. Was ist, wenn Sie in einer Mail oder Chat-Nachricht die URL der gerade erstellten Intranet-Seite angeben wollen? Wenn Sie erst auf eine Freigabe warten müssen, geht das nicht. Die URL funktioniert ja erst später. Sie müssen diesen Arbeitsfluss also unterbrechen, bis jemand eine Freigabe erteilt hat.

Arbeitnehmervertretern sollte es ein Anliegen sein, dass das Intranet-Team den Mitarbeitern vertraut und zumindest im Rahmen eines Experiments weiträumig auf Freigabeprozesse verzichtet, obwohl sich diese mit wenigen Klicks einrichten lassen. Um es klar auszusprechen: Darauf sollte eigentlich jedes Intranet-Team auch ohne Betriebsrat kommen. Aber der Betriebsrat tritt eben formal für die Mitbestimmung im Unternehmen ein. 

Das Intranet, das ein schnelles, unkompliziertes und mächtiges Sprachrohr für alle oder zumindest möglichst viele Mitarbeiter sein kann, ist ein gut passendes Instrument.

Leistungsüberwachung im Intranet ist Quatsch, muss aber trotzdem verhindert werden.

“Da muss immer Druck auf dem Kessel sein!”, sagte mir mal ein Manager klassischer Prägung in einem Gespräch, als wir ein neues Intranet für sein Unternehmen planten. Er war der Überzeugung, dass Mitarbeiter, wenn sie nicht unter Druck gesetzt werden, anfangen, sich auszuruhen, und nur einen Bruchteil ihrer Leistungsfähigkeit abrufen. Digitale Systeme sind eine Verlockung. Dieser Manager freute sich bereits diebisch darauf, über das Intranet noch viel besser sehen zu können, wer im Unternehmen wirklich etwas beiträgt und wer nur “herumlungert”. Es hat fast zwei Stunden gedauert, ihm zu verdeutlichen, dass ein Intranet für eine solche Art von Leistungsmessung ungeeignet ist, weil in einem solchen System die für die Organisation relevanten Wertschöpfungsprozesse nicht vollständig abgebildet werden können.

Ich glaube zwar, dass ein modernes Intranet fast alle Wertschöpfungsprozesse berühren und positiv beeinflussen kann. Aber sehr viel findet eben doch außerhalb des Systems und auch außerhalb des digitalen Raums statt.

Mit einem Intranet kann man keine Leistung messen.

Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel aus meiner eigenen Historie geben, auf das ich nicht stolz bin, das diesen Umstand aber sehr schön illustriert. Als wir seinerzeit unser allererstes Wiki eingeführt haben, gab es bei uns noch individuelle Zielvereinbarungen für die Mitarbeiter. Glücklicherweise haben wir diese Methode schon seit Jahren abgeschafft. Damals funktionierten diese Zielvereinbarungen bei uns genauso wie in allen anderen Unternehmen auch, nämlich so gut wie gar nicht. Ziele wurden immer zu spät definiert, sie waren schnell veraltet und wurden insbesondere dann intensiv verfolgt, wenn der Termin zur Messung nahte. Bei der Messung selbst wurden gerne mal zwei Augen zugedrückt. Da war ein Ziel, das immer passte, sehr willkommen.

Ein Standardziel für unsere Mitarbeiter gab zum Beispiel vor, in einem Monat hundert Bearbeitungsvorgänge im Wiki durchzuführen: auf einer Seite auf “Bearbeiten” klicken, eine Änderung vornehmen und wieder auf “Speichern” drücken, und das hundert Mal im Monat. Das war einfach zu messen und auszuwerten, es passte irgendwie immer – und es funktionierte scheinbar. Die Leute bearbeiteten zahlreiche Seiten und erstellten neue. Nach ein paar Monaten erfuhr ich dann, dass dieses Ziel intern als “Spam-Prämie” in Verruf geraten war. Das lag daran, dass Mitarbeiter damit begonnen hatten, Seiten zu erstellen, die eigentlich keinen Mehrwert für das Unternehmen boten. Dabei kamen dann mal mehr, mal weniger gute Zusammenfassungen von Wikipedia-Artikeln und ähnliche Ergebnisse zustande. Die Spam-Prämie haben wir mit den Zielvereinbarungen über Bord geworfen.

Eine zentrale Aufgabe für den Betriebsrat besteht darin zu verhindern, dass Manager versuchen, ein Intranet-System zur Leistungsmessung zu verwenden. Auch wenn das eine Schnapsidee ist, kann es sich toxisch auf die Zusammenarbeit und die wirklichen und relevanten Beiträge auswirken. Es steht in nahezu jeder Intranet-Betriebsvereinbarung, die ich bisher zu Gesicht bekommen habe:

Weder das Unternehmen noch die Personalvertretung oder sonst jemand darf versuchen, anfallende Daten zur Messung von Leistung und zur Überwachung einzusetzen.

Leistungsüberwachung über das Intranet ist per se Quatsch. Aber wer Quatsch auswertet, bekommt auch ziemlich zweifelhafte Ergebnisse. Und die Versuchung gibt es. Das sollten Sie auf jeden Fall unterbinden!



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Nie zuvor wurde die Unternehmenswelt so sehr von Cloud-Software und Spezialanbietern überrannt wie jetzt. Es gibt so viel Software, dass es immer schwieriger wird, den Überblick zu behalten. Umso wichtiger ist es für die Zukunft von Unternehmen, einen Ort der digitalen Zusammenkunft zu haben. Einen verlässlichen Heimathafen, sinnvoll vernetzt mit den zahlreichen anderen Systemen. Eine Möglichkeit, sich einfach und schnell zu orientieren, die Transparenz im Unternehmen zu erhöhen und die Zusammenarbeit effektiver zu gestalten.
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Über den Autor

Martin Seibert war 17, als er das Softwareunternehmen Seibert Media gründete. 24 Jahre später hat es knapp 200 Mitarbeiter und macht 35 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Seine Begeisterung für Technologie teilt er seit vielen Jahren in YouTube-Videos – und jetzt auch in seinem neuen Buch über Social Intranets.


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Dieser Inhalt wurde zuletzt am 17.04.2020 aktualisiert.

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